Max Frisch - The american way of life

Max Frisch war viele Male in Amerika, über seine Reisen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat er immer wieder geschrieben, in seinen Tagebüchern, in den Romanen, in Essays. Seine Beziehung zu Land und Leute war zwiespältig, einerseits war da eine grenzenlose Bewunderung, anderseits aber auch eine tiefe Abneigung.

 

Geschrieben hat Max Frisch die Texte in den Jahren 1960 bis in die späten 1970er Jahre.
List man die Texte im Hier und Jetzt, dann klingt vieles prophetisch, als hätte Frisch es für die Menschen Heute geschrieben.

 

Im Tagebuch 1966-1971 liest man:
»ihre Fragen im Langstreckenbus: how do you like America?
Eine leutselig-frohe Frage, die auf Beifall wartet, selbstverständlich; eigentlich wundert sie nur, was uns am meisten imponiere. Am meisten imponierte mir damals die Wüste. Es war die Zeit von McCarthy. Ein Antikommunismus ohne Kenntnis, was Kommunismus will, in Verbindung mit einem repressiven Patriotismus (nicht viel anders als bei uns), ist nicht geschwunden; Im Schwinden ist trotz allem die Arroganz der Macht, auch wenn sie sagen: Wir sind das reichste Land der Welt. Das stimmt ja. Sie sind erschreckt. Luftverschmutzung ist ja nur eine Metapher für alle anderen Realitäten, die sie erschrecken. Zumindest ist man nicht mehr sicher, daß alles, was größer und größer wird, auch erfreulich sei. Kaum ein Abend, ohne daß Sorge sich ausdrückt; nicht selten die offenherzige Frage: sind wir auf dem Weg zum Faschismus?«

»Mein Zorn auf Amerika« stammt aus Homo Faber, geschrieben 1957. Der Protagonist, Walter Faber befindet sich in Cuba und vergleicht die Lebensfreude der Menschen dort mit der, den die Amerikaner verströmen:

 

 

The american way of life!
»Schon was sie essen und trinken, diese Bleichlinge, die nicht wissen, was Wein ist, diese Vitamin-Fresser, die kalten Tee trinken und Watte kauen und nicht wissen was Brot ist, dieses Coca-Cola-Volk, das ich nicht mehr ausstehen kann –
Dabei lebe ich von ihrem Geld!

 

Schon ihre Häßlichkeit, verglichen mit Menschen wie hier: ihre rosige Bratwurst-Haut, gräßlich, sie leben, weil es Penicillin gibt, das ist alles, ihr Getue dabei, als wären sie glücklich, weil Amerikaner, weil ohne Hemmungen, wie sie herumstehen, ihre linke Hand in der Hosentasche, ihre Schulter an die Wand gelehnt, ihr Glas in der anderen Hand, ungezwungen, Schutzherren der Menschheit, ihr Schulterklopfen, ihr Optimismus, bis sie besoffen sind, dann Heulkrampf, Ausverkauf der weißen Rasse, ihr Vakuum zwischen den Lenden.

 

Mein Zorn auf mich selbst!
(Wenn man nochmals leben könnte.)
Was Amerika zu bieten hat: Komfort, die beste Installation der Welt, ready for use, die Welt als amerikanisiertes Vakuum, wo sie hinkommen, alles wir Highway, die Welt als Plakat-Wand zu beiden Seiten, ihre Städte, die keine sind, Illumination, am anderen Morgen sieht man die leeren Gerüste, Klimbim, infantil, Reklame für Optimismus als Neon-Tapete vor der Nacht und vor dem Tod.

 

Noch im Badkleid sieht man ihnen an, daß sie Doller haben; ihre Stimmen, nicht auszuhalten, ihre Gummi-Stimmen überall, Wohlstand-Plebs.

 

Ihre falsche Gesundheit, ihre falsche Jugendlichkeit, ihre Weiber, die nicht zugeben können, daß sie älter werden, ihre Kosmetik noch an der Leiche, überhaupt ihr pornographisches Verhältnis zum Tod, ihr Präsident, der auf jeder Titelseite lachen muss wie ein rosiges Baby, sonst wählen sie ihn nicht wieder, ihre obszöne Jugendlichkeit.«